Krumme Dinger von Kai-Eric Fitzner

Eine Leseprobe aus „Krumme Dinger“

Wie schon auf der Buchseite zu lesen steht, geht es in Kai-Eric Fitzners neuestem Roman „Krumme Dinger“ nicht ganz mit rechten Dingen zu im guten alten Oldenburg. Journalist Hauke kommt der Sache mehr zufällig auf die Spur und reitet sich ganz schön rein… Gut, dass ihm sein Schulkamerad Jan-Ole über den Weg läuft, der inzwischen bei der Polizei arbeitet und noch so manch anderes Talent beweist. Auch wenn der Typ am Anfang ganz schön nervt…

Hier treffen sich die beiden gerade zum zweiten Mal im Ulenspegel (Kneipe in Oldenburg):

Hauke nahm einen tiefen Schluck des bitteren Gebräus und fragte sich, warum er so nervös war. Schon seit einigen Tagen fühlte er sich wie in Watte gepackt, als wäre er gar nicht wirklich da, sondern gefangen in einem Traum, einem immerwährenden Tagtraum.
»Hauke?«, fragte eine ihm bekannte Stimme, begleitet von einer vor seinen Augen hin und her wischenden Hand.
»Jan-Ole! Mann, ich war gerade voll in Gedanken.«
»Konnte man wohl sehen«‚ antwortete Jan-Ole mit einem beinahe erleichtert wirkenden Lächeln, das Hauke nicht zu deuten vermochte.
»Hermann. Wie geht’s, wie steht’s?«‚ rief Jan-Ole dem Wirt zu.
»Ole, alte Pflaume. Willst du ’n Tee?«
»Klar doch.«
»’n Tee«, kicherte Hauke und nahm einen Schluck Guinness, während Jan-Ole seine Jacke ablegte und sich an den Tisch setzte. Es war das erste Mal, dass Hauke ihn in Zivil sah. Jan-Ole machte auch ohne Uniform eine sehr gute, sportliche Figur. Seine dichten, blonden Haare, die sonst unter der Schirmmütze der Uniform steckten, waren perfekt gestylt.
(…)
»Dein Tee«, meldete sich Hermann, der Wirt.
»Gehört der zu dir?«, fragte er Jan-Ole, als wäre Hauke gar nicht da.
»Ja, klar. Das ist Hauke. Ist bei der Zeitung.«
»Zeitung?«
»Oldenburg Report«, erklärte Jan-Ole und fing wieder an zu lachen. Hermann stimmte aus voller Brust ein.
»Du trinkst ja wirklich Tee«, bemerkte Hauke.
»]a, ich vertrag keinen Alkohol.«
»Gar nicht?«
»Nee. Hab dann immer ’n dicken Kopf am nächsten Tag, komm schlecht raus und so. Also lass ich’s lieber.«
»Vernünftig. Kann ich noch eins?«, rief Hauke dem Wirt zu und hob sein Guinnessglas.
(…)
»Liebeskummer?«
»Nee. Eigentlich nicht. Aber die letzten Tage waren ziemlich aufreibend.«
»Aufreibend? Mann, du quatschst immer noch so geschwollen wie damals.«
»Ein Guinness für den Mann von der Zeitung«‚ unterbrach ihn Hermann, stellte das Glas vor Hauke hin und zog wieder ab.
»Also erzähl. Was war denn so aufreibend?«
(…)
»Ich musste mich in neue Themen einarbeiten. Diese Sache mit dem Berliner Platz.«
»Das Einkaufszentrum?«
»Die Mall.«
»Die was?«
»Was soll das denn sein?« »Das ist Amerikanisch.«
»Und was heißt das?«
»Einkaufszentrum.«
»Amen«‚ sagte Jan-Ole und trank einen Schluck Tee.
»Die Frau vom ToFOU.« Weiter kam Hauke nicht, weil er selbst zu lachen anfing. »ToFOU, Scheiße.«
»Was ist das denn schon wieder?«
»ToFOU? Das Büro für Touristik und Fremdenverkehr in Oldenburg und Umgebung. Die nennen sich Tofu. Ist das nicht geil?«
»Und was ist Tofu?«
»Dieser chinesische Bohnenstich.«
»Bohnenstich?«
»]a, Wie Eierstich, nur aus Sojabohnen.«
»Aha. Und das ist lustig?«
»Fand ich schon, aber solche Sachen sind natürlich immer ein bisschen doof, wenn man sie erklärt.«
»Ja, das kenn ich. Wahrscheinlich kapier ich’s, wenn ich mir das nächste Mal einen runterhole.«
Hauke fiel vor Lachen fast vom Stuhl, also lachte Jan-OIe einfach mit.
»Und was ist jetzt mit deiner Freundin?«‚ fragte Jan-Ole abrupt
»Wieso? Was soll mit der sein?«, wollte Hauke wissen, während er sich die Tränen aus den Augenwinkeln wischte.
„Du hast doch ne Freundin, oder?«
Ja, ich denke schon. Das ist allerdings ein bisschen kompliziert. Ich hab sie zwei Jahre lang nicht gesehen, weißt du? Sie war in den USA, studieren. Und vorvorgest … « Hauke begann die vergangenen Tage an seinen Fingern abzuzählen, kam damit aber nicht weiter. »Am Samstag war ich im Mozart, und da treffe ich sie zufällig wieder. Und plötzlich sind wir wieder ein Paar, ganz so wie früher, nur …«
»Nur was?«
»Ich weiß gar nicht, wie ich das beschreiben soll. Es ist irgendwie so surreal. Sie ist so unkompliziert und toll und sexy und …«
»Das klingt doch gut«
»Ja, klar. Super. Aber … Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll, irgendwie… Wir haben uns zwei Jahre nicht gesehen… Ich habe eigentlich kaum an sie gedacht in der ganzen Zeit. Nie hätte ich damit gerechnet, dass sie wieder in mein Leben kommt.«
Hauke nahm noch einen Schluck Guinness und wunderte sich, dass er Jan-Ole so viel von sich erzählte. Jan-Ole war nun wirklich nicht derjenige, den er sich als zuhörenden Freund vorstellte. Aber bei genauer Überlegung hatte er eigentlich gar keine richtigen Freunde, und irgendwie war doch recht viel in letzter Zeit passiert, da musste er wohl was loswerden.
»Und?«, hakte Jan-Ole nach.
»Und plötzlich ist sie da und tut so, als würden wir nächste Woche heiraten, wenn du verstehst, was ich meine.«
»Nö.«
»Es ist plötzlich alles so … so wir
»Und was sagt sie dazu?«
»Ich habe keine Ahnung. Hab sie noch nicht danach gefragt.«
»]a, dann wird’s aber Zeit, oder?«
»Wahrscheinlich hast du recht. Krieg ich noch eins?«, rief Hauke dem Wirt zu. »Ich wäre schon tot, wenn ich das getrunken hätte, kommentierte Jan-Ole, als er plötzlich zusammenzuckte. Er griff in seine hintere Hosentasche und zog ein kleines Gerät hervor.
»Scheiße«‚ sagte er. »Ich muss nach Hause.«
»Wieso, was denn?«
»Ich ruf dich an, Hauke. Hermann«, rief er dem Wirt zu und stürzte aus der Tür.
»Mach’s gut«, rief Hermann hinterher und brachte Hauke das neue Guinness.
»Wohl bekomm’s.«
»Hat er das öfter?«, fragte Hauke.
»]a«, antwortete der Wirt und verzog sich wieder hinter die Theke.

Weitere Infos zum Buch:

Kai-Eric Fitzner
„Krumme Dinger“
Kriminalroman

Taschenbuch, Knaur TB
ISBN: 978-3-426-51912-7

E-Book, Knaur eBook
ISBN: 978-3-426-43916-6

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