Wortwolke zum Thema Aphasie

Was ist eigentlich Aphasie?

Der Begriff Aphasie ist jetzt schon ein paar Mal als Folge von Kais Schlaganfall genannt worden. Aber so richtig erklärt haben wir es noch nicht. Nachdem Kai nun auch noch Beisitzer in seinem Landesverband Aphasie geworden ist, ist es ihm ein doppeltes Anliegen, für Aufklärung zu sorgen. Daher das Thema unseres heutigen Artikels. 😉  Wikipedia folgend stammt das Wort Aphasie aus dem Griechischen und bedeutet Sprachlosigkeit. Es handelt sich dabei um „eine erworbene Störung der Sprache aufgrund einer (…) Schädigung in der dominanten, meist der linken, Hemisphäre des Gehirns“.

In Kais Fall ist diese Schädigung durch den Schlaganfall entstanden und hat bei ihm zu einer expressiven Sprachstörung, einer sogenannten Broca-Aphasie geführt. Das bedeutet, Kai muss neu lernen, sich auszudrücken:

  • Kai kann nur schwer lesen und das Gelesene verstehen, dafür auch in Fremdspachen. Texte mit komplizierten Wörtern oder Schachtelsätzen sind sehr anstrengend für ihn. Es ist aber nicht nötig, Kai nur Emojis zu schicken, bloß weil er das umgekehrt tut. Ihr könnt ihm kurze Sätze schreiben. 😉
  • Kai kann inzwischen sprechen, hat aber Probleme, die richtigen Worte zu finden, vertauscht oder verdreht sie. Da kann es sein, dass im Satz das Subjekt fehlt, oder ein Platzhalter wie „der Mann“ benutzt wird. Oder aus dem „Waldmeister“ wird mal ein „Maldweister“, aus der „Mailadresse“ eine „Nummer“ oder aus dem Hund eine Katze.
  • Es fällt Kai leichter, auf Fragen zu antworten, als selbst ein Thema anzustoßen. Wenn das mit dem Antworten aber erst mal läuft, dann kommen wir zusammen auch vom Hölzchen aufs Stöckchen. Dabei verwendet er manchmal richtige Sätze, wenn das Sequenzen sind, die er oft benutzt (Wie geht’s Dir, ich hab zu wenig geschlafen, das hab ich vergessen, etc.). Sonst baut er das, was er sagen will, aus Begriffen zusammen und unterstützt das mit Gestik und Mimik.
    So meinte er z.B. heute auf meine Frage, ob er wieder mit dem Bus zur Logopädie gefahren sei: „Heute Therapie, (zeigt auf eine imaginäre Uhr am Handgelenk) halbe Stunde vorher: (Schreckgesicht) Kacke! Zu spät! (Seufzt) Rollstuhl genommen.“
  • Die Sprache, Wörter, Begriffe – alles ist in Kais Kopf ganz normal da. Er hat aber Probleme sie auszusprechen. Das führt dann entweder zu oben genannten Störungen oder kann auch mal in der Sackgasse landen, wenn das passende Wort nicht kommen will. Das ist dann natürlich besonders frustrierend. Manchmal schaffen wir es zusammen, durch Drumherum-Erklären der Sache auf die Spur zu kommen. Oder Kai schreibt das Wort mit dem Finger auf den Tisch. Manchmal ist es aber auch einfach weg.
  • Komplexes Aufschreiben geht nicht, denn: Das Schreiben lernt Kai gerade erst wieder. Mir hat er zunächst nur Emojis geschickt, um auszudrücken, was er sagen möchte. Inzwischen bekomme ich aber auch immer öfter Wörter dazu. Manchmal als Wiederholung zusammengesetzt aus dem, was ich vorher geschrieben habe, manchmal was Neues. Je nachdem, wie er es gerade umsetzen kann.

Das alles ist natürlich auch abhängig von der Tagesform und von dem Vertauensverhältnis zum Gesprächspartner. Was man nicht tun sollte, ist korrigieren oder Sätze für den anderen beenden. Wörter vorschlagen, wenn das richtige nicht kommen will, ist okay. Aber wenn es nicht geht, dann sollte man auch nichts erzwingen wollen.

Seinen Sprachwitz von früher nicht umsetzen zu können, das sei schon blöd, meint Kai. Aber ich bin mir da gar nicht so sicher, dass er das nicht kann. Gerade mit den Emojis und auch mit seinen Bemerkungen beim Skypen kommt viel rüber. Wir habe die meiste Zeit richtig Spaß miteinander und beömmeln uns über alles mögliche. Und selbst wenn es mal ernster wird, findet sich bald wieder ein Twist, der uns hilft, auch Probleme mit Humor zu nehmen.

Mehr zu den Folgen von Aphasie lesen

Was die Logopädin dazu sagt

Kürzlich habe ich mit Kais Logopädin telefoniert. Eigentlich wollte ich sie für diesen Artikel hier ein paar Dinge fragen und mich vor allem mal darüber informieren, wie so eine Therapie funktioniert. Denn inzwischen hat Kai jeden Tag „Logo“! Seit wir miteinander chatten und skypen tut sich so einiges. Die Logopädin ist aber so begeistert von den Fortschritten, die Kai seitdem macht, dass wir zu diesen Fragen gar nicht kommen.

„Meinen Sie nicht, dass die Fortschritte auch was damit zu tun haben, dass Kai und ich beide digital affin sind?“, frage ich sie. Aber das kann sie mir nicht wirklich beantworten. Es gibt zwar auch digitale Therapieformen, erzählt sie mir, aber bisher arbeite sie mir Kai rein analog. Zum Beispiel am Begriffe finden und am Schreiben. So nach einer dreiviertel Stunde ließen dann aber die Kräfte nach, sagt sie. „Hmmm“, überlege ich, „also wir skypen selten unter einer bis anderthalb Stunden, es sei denn, einer von uns ist zu platt dafür.“
„Und wie oft“, fragt sie.
„Na, täglich“, sage ich zu ihrem großen Erstaunen. 🙂

Wie lange wir das denn so weiter machen wollen, fragt sie, und freut sich sehr, als ich sage, dass wir nicht vorhaben, das so bald zu beenden. „Das hat eine Schleuse bei ihm geöffnet“, schwärmt sie und setzt hinzu: „Ich glaube, Sie beide haben sich so und zu diesem Zeitpunkt finden müssen!“


Weitersagen:

Beitrag veröffentlicht am

in

,

Kommentare

4 Antworten zu „Was ist eigentlich Aphasie?“

  1. […] Wir sind gerade am Beginn von Tag 3 und stehen schon bei 88% der zu erreichenden Summe! Schon vom ersten Tag an waren wir so überwältigt von der Resonanz auf die Aktion, dass wir kaum Worte dafür haben. Für Kai trifft das gleich doppelt zu, da er aufgrund seiner Aphasie ohnehin Probleme mit dem Sprechen hat. […]

  2. […] Ergänzungen oder Kürzungen vom Verlag vorgenommen wurden. Er selbst schafft das aufgrund seiner Aphasie noch nicht und konnte sich deswegen auch nicht in die Bearbeitung […]

  3. […] Was ist eigentlich Aphasie? […]

  4. […] Ruhestand gegangen war, musste sich Kai eine neue Sprachtherapeutin suchen, mit der er an seiner Aphasie arbeiten kann. Doch die zunächst gewählte Therapeutin entpuppte sich leider als kontraproduktiv. […]

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert