Falls dem Ergebnis der zurückliegenden Bundestagswahl irgendetwas Positives anhaften sollte, dann ist es vermutlich die Hoffnung, dass die Neuausrichtung des Etats zur Bekämpfung rechtsextremer Einflüsse dazu führt, dass auch neoliberale Gruppierungen wie die extremistischen Jungen Liberalen verfolgt werden. Ansonsten – nichts als Tristesse.
Die Allianz aus CDFDPSU erhielt 21.124.170 der Erst- und 20.974.595 der Zweitstimmen. Das ist nur ein knappes Drittel der Stimmberechtigten, also ist die Lage vermutlich doch nicht ganz so düster wie zunächst angenommen. Zählt man die Stimmen für die SPD hinzu, um das vorläufig gesamte neoliberale Spektrum abzudecken, so ergeben sich 33.203.928 der Erst- und 30.965.083 der Zweitstimmen. Insgesamt sind das mehr als 50% der Erststimmen aller Wahlberechtigten, also auch derer, die gar nicht erst zur Wahl gegangen sind. Nach den jüngsten Begebenheiten im Saarland täte man sicher gut daran, die Grünen zumindest potentiell ins neoliberale Lager zu rechnen, aber wir lassen das an dieser Stelle einfach mal sein, da die Zahlen auch so schon lustig genug sind. Sie belegen nämlich eindrucksvoll, in was für einem Dumpfduddelsumpf die genannten Parteien ihre Wähler rekrutieren. Jene Wähler nämlich, die für eine Politik stimmen, die ihnen unmittelbar und aktiv schadet, also prinzipiell alle, die nicht in der privaten Krankenversicherung zuhause sind. Sollten Sie, verehrter Leser, gesetzlich versichert sein und haben CDFDPSU gewählt, dann sind Sie, mit Verlaub, ein Idiot! Vielleicht steckt dahinter politisches Desinteresse, aber vermutlich sind es doch eher Meme vom Kaliber „die können Wirtschaft besser“ oder „mich wurmen die Linken“ oder, noch besser, „bei den kleinen Parteien verschenkt man seine Stimme“. In einer Wirtschaftskrise, die sogar so manch neoliberal verblendeter Holzkopf als Systemkrise zu identifizieren beginnt, auf eine Politik zu hoffen, die methodisch vollverantwortlich für das ganze Desaster ist, hat schon was.
Bei der diesjährigen Vergabe der Ministerämter offenbaren die Beteiligten deutlicher als sonst, dass die Ämter maximal nach Interessenlage, wahrscheinlich aber doch eher wie auf einem Suq feilgeboten werden, was hinsichtlich der Annäherung an die muslimische Welt als positiv bewertet werden muss. Deshalb ist unser Lauschangriff-Ferengi mit dem Köfferchen (erinnert sich da noch jemand dran?) jetzt auch endlich Finanzminister – der Bock als Gärtner. Haha. Und seine Durchlaucht, der Herr der Wirtschaft, hat seine Sache so gut gemacht, dass er jetzt endlich Verteidigungsminister wird. Ob er als Unteroffizier der Reserve irgendwem Befehle erteilen darf, wird sich noch zeigen. Nicht zu vergessen: der ewig pubertierende Westerwelle als Außenminister. Jetzt kann sich der Krawattenmann des Jahres 2001 endlich im Auftrag des Deutschen Volkes an der ganzen Welt dafür rächen, dass er bereits seit 35 Jahren nicht aus dem Stimmbruch findet. Wenigstens sorgt er so sicherlich dafür, dass dem Guttenberg nicht die Arbeit ausgeht. Als kleine etymologische Randnotiz ist anzumerken, dass die Herkunft des Begriffs Gruselkabinett nun zweifelsfrei geklärt ist.
Wir lernen hieraus zwei Dinge:
1.) 18 Millionen Wahlberechtigte waren nicht gewillt, die Verantwortung für diesen Wahnsinn zu übernehmen. Vielleicht sollten wir eine Partei gründen und diese weisen Mitmenschen zur Wahl bewegen.
2.) Die politisch Desinteressierten gehen doch zur Wahl, und zwar scheinbar alle.
Die gute Nachricht ist allerdings, dass wir in den nächsten vier Jahren einen sozialen Klimawandel erleben dürften, der unter Umständen den Nährboden für soziale Unruhen bilden wird. Viva la revolucion!
Autor von „Willkommen im Meer“ und „Krumme Dinger“, Netzmensch und Familienvater aus Oldenburg. Douglas-Adams-Fan. Nach einem schweren Schlaganfall im Mai 2015 Aphasiker auf dem Weg der Besserung.
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