Bildung für Blöde

bildungIch habe nichts gegen Juristen. Wirklich nicht. Ich hab’s ja selber mal werden wollen, wenngleich nur maternal fehlgeleitet und auch nur für zwei Semester. Ich bedauere auch, dass Juristen während ihrer Ausbildung so gequält und unter Druck gesetzt werden, wie sonst nur Lehrer (mir ist zu Ohren gekommen, dass auch andere Azubis gequält werden, allein: Das macht’s nicht besser!). Dass dies Beulen im Gemüt hinterlässt, wie sonst nur die in „Zwei Banditen“ angestimmte Weise in jenem der sprichwörtlichen Mutter, mag ich wohl zur Kenntnis nehmen. Was ich aber nicht so ganz verstehe ist, warum diese erlittenen Qualen (ähnlich wie bei Lehrern) Juristen dazu befähigen sollen, ihren eigenen Leidenshorizont ebenso sachgerecht wie fachfremd auf andere projizieren zu können. Denn: ist des Einen Leid wahrhaftig des anderen Erkenntnis?

Dass Bildung Ländersache sein soll, weil man ja beizeiten irgendwelchen landsmannschaftlichen Schrullen entgegengekommen können muss, habe ich verinnerlicht. Man kann dann ja, wenn es einem gar nicht gefällt, mit Kind und Kegel woanders hin machen, wie übrigens auch bei Arbeitslosigkeit, Ausbildung, Partnertausch, Klimakatastrophe, Waldsterben und Weltschmerz. Flexibel muss der Bürger in seinen Grundfesten sein, weil es sich auf nachgebendem Fundament bekanntlich am besten bauen lässt. Und wenn alle Bürger dieses Landes das nur vor langer Zeit schon beherzigt hätten, dann gäbe es keinen Platz mehr für Unzufriedenheit in den Herzen der Menschen. Politiker könnten in Ruhe arbeiten an der Optimierung der Wohnumgebung und des Lebensraums, ungestört von Unverbesserlichen, die einfach nicht wahrhaben wollen, dass sie in der falschen Gegend leben (zumindest bis zur nächsten Wahl).

In Niedersachsen, meiner derzeitigen Scholle, wiewohl auch der meiner Kindheit und Jugend, möchte man Bildung verbessern. Weil es hier nicht genügend Lehrer gibt, die man bezahlen möchte, hat man schon vor einigen Jahren beschlossen, die Schulzeit zu verkürzen. Wer davon nichts mitbekommen hat, muss als bildungsfremd oder -fern zu gelten haben, weil er nachweislich kein Kind an einem niedersächsischen Gymnasium unterzubringen imstande war. Für solche Menschen haben wir in Niedersachsen aber Alternativen, wie die Real- und Hauptschule, aber auch dieses Hirngespinst der Integrierten Gesamtschule (IGS).

Eine IGS, für alle, die es nicht wissen, ist eine Schulform, an der Kinder unterschiedlicher, bereits in der Grundschule diagnostizierter Dispositionen, gemeinsam lernen sollen, wie man so lernt. Man legt dort Wert auf in der Gesellschaft wenig geforderte Kompetenzen im Umgang miteinander, und setzt auf das esoterisch anmutende Prinzip, jeder könne von jedem etwas lernen. Das sorgt natürlich für Unmut in nicht unerheblichem Maße, denn was kann ein Kind aus bildungsstarken Verhältnissen schon von idiotischen Schmarotzern lernen können? Nicht viel, weil ein solches Kind ja das Gymnasium besucht, um dem sozialen Unrat ausweichen zu können. Insoweit war schon alles im Lot, bis man auf die Idee kam, zugunsten der internationalen Wettbewerbsfähigkeit, dem Gymnasium ein Jahr zu klauen, und sich beinahe gleichzeitig darauf geeinigt hat, den Abschluss dieser Schulform künftig zentralisiert zu normieren.

Mit der Verkürzung der Schulzeit (an Gymnasien) einher geht eigenartigerweise  eine vermehrte Anmeldung von Kindern aus bildungsnahen Familien an den Integrierten Gesamtschulen, weil die Kinder unter der Verkürzung auf der Regelschule (Gymnasium) ja so sehr litten, dass man ihnen gerne dieses zusätzliche Jahr, welches die IGS aufgrund ihrer konzeptionellen Arbeitsweise anbieten musste, gewähren wollte. (Die IGS wollte sehr früh die Schulzeit verkürzen – aber eben nicht zu den Bedingungen des G8: Gleicher Stoff, ein Jahr weniger, Lehrermenge bleibt gleich!) Übersetzt heißt das dann wohl: die größten Fans des Gymnasiums (die Eltern) suchen sich einen neuen Verein. Dies ist das erste Ergebnis der Bildungsreform.

Nun scheint in den hellen Geistern der Landesregierung das Wort ‚Chancengleichheit‘ Einzug gehalten zu haben. Übersetzt ins Schwurbelige heisst das: Es gibt wahrhaftig keinen Grund, den Menschen die Möglichkeit einer anderen Schulform vorzuhalten, denn: Kann ich mein Kind durchs Gymnasium prügeln, dann musst du das mit deinem Kind auch tun können! Das ‚Warum?‘ steht dabei nicht zur Debatte. Weil, es ist ja, mmmh, irgendwie, oder so, oder eben auch anders, oder, naja, vielleicht denn doch: Chancengleichheit! Weil doch allgemein bekannt ist, dass diese krisengeschüttelten Kinder, die die IGS großzumachen sich bemüht, nix taugen für das Aufrechterhalten unserer Gesellschaftsordnung.

Wohl könnte man sich der Frage hingeben, ob nicht Schule verantwortlich sei, kleinen Menschen die Notwendigkeit einer genormten Ordnung beizeiten beizubiegen – gleichwohl, es führt ja zu genau gar nichts, wie die Gegenwart eindrucksvoll Zeugnis abzulegen imstande ist – oder, ob wir unseren Sprösslingen die Gelegenheit bieten wollen, für sich selber zu entscheiden, was ihre Zukunft ihnen bieten soll?

Das sind so Fragen – allein, es fehlt an Antworten.


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