Sommerreisen – 1. Teil

sommerreise01

Ich bin immer wieder überrascht festzustellen, dass die meisten Reisenden in Deutschland Träger besonders langweiliger Meinungen zu sein scheinen. Hinzu gesellt sich bei einem nicht unerheblichen Anteil eine gewisse cholerische Neigung, die nach alter linker Straßenkämpfersitte vorzugsweise gegenüber Uniformträgern zur Eruption gelangt.

Aber das ist nur Zufall, gleichwohl man daraus eine ähnlich langweilige Meinung bestätigen könnte, nämlich die, dass sich im linken Milieu die reaktionären Spießer nur so tummeln. Und vermutlich ist das auch so, denn es gibt politisch nichts langweiligeres als sich einem Lager der Marke Rechts oder Links zuzuordnen. Wer jetzt sagt, die Mitte sei genauso langweilig, der irrt: Menschen, die sich politisch in irgendeiner Mitte verorten, sind nicht langweilig sondern dement.

Es sind also die reaktionären Spießer, die ihre Mitmenschen auf Reisen mit ihren Meinungsbekundungen bis zum Erbrechen langweilen. In der Regel sieht das so aus, dass sie wütend geifernd am Bahnsteig stehen und auf Durchsagen warten, die eine wie auch immer geartete Unpässlichkeit verkünden, um wie ein römischer Gefangenenchor ihre Spießerhymne „Typisch! Typisch Bahn!“ zu singen. Danach finden sie sich in Grüppchen zusammen und erzählen sich trübe Anekdoten, wie einmal im IC von Dortmund nach Osnabrück die Reservierungsanzeige ausgefallen war und jemand schon auf ihrem Platz saß, oder dass gleich der ganze Wagen fehlte. Diese Gespräche münden dann häufig in Wettbewerben, wer Zeit seines Lebens eigentlich die schlimmsten Verspätungen zu erdulden hatte und noch bevor sie ihren Herrn und Meister krönen können, hat sie die „Scheiß-Bahn“ dann doch nach Hause gebracht.

Dabei gibt es abgesehen von den oben beschriebenen Mitreisenden nur drei Dinge, die man an der Bahn bemängeln kann:

Erstens wären da die horrenden Preise, die, zweitens, nicht einmal eine Sitzplatzgarantie mit einschließen, weil man diese, drittens, für einen stattlichen Obolus zusätzlich erkaufen muss. Das alles ist Pfui, Igitt und Kotz, aber dennoch kein Grund, seinen Mitmenschen damit auf den Wecker zu gehen. Denn schlussendlich ist’s das gleiche Pack, das dafür verantwortlich zeichnet: die irren Wettbewerbslangweiler aus der politischen Mitte, die die Bahn der Staatsgewalt wegprivatisiert haben. Dabei ist das Recht auf Reisen, wie auch auf Schwimmen oder andere Fortbewegungsarten, ein vom Staat zu förderndes, weil gesellschaftlich verlangtes Zugeständnis der Bürgerschar. Darüber sollte man mal nachdenken, bevor man wieder leichtfertig wählen geht.


Weitersagen:

Beitrag veröffentlicht am

in

Schlagwörter:


Kommentare

Eine Antwort zu „Sommerreisen – 1. Teil“

  1. Torsten

    Ausgezeichnet, ganz ausgezeichnet – danke für die unterhaltsamen Momente, die diese Website verursacht!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert