Senhor Bin Laden

Die Welt vor und in 50 Jahren

Es ist an der Zeit, einen abenteuerlichen, wenn nicht gar unpopulären Essay, in dem dargelegt wird, warum Osama Bin Laden zu exekutieren genau so Scheiße ist wie José Mourinho gut zu finden, zu verfassen. Ich erkläre mich hiermit bereit und lege mal los.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Ich fand Osama Bin Laden nicht ansatzweise okay, noch fand oder finde ich okay, was er so alles verbrochen hat. Auch scheint mir plausibel, dass er, nachdem er es ja wohl in aller Öffentlichkeit zugegeben hat, tatsächlich für die Gräueltaten vom 11. September 2001 verantwortlich zeichnet (es sei denn, er hat es auch erst im Fernsehen mitbekommen und vor Freude in die Patschehändchen geklatscht, bevor er sein Kamerakind herbeirief.) Ich wohnte krankheitsbedingt der Fernsehliveübertragung an jenem Tag bei und begann damals schon zu grübeln, ob sich daraus etwas Gutes für die Zukunft ableiten lassen können würde. Den Gedanken verwarf ich aber schnell wieder, spätestens nach der Ansprache von Johnny Walker Bush, in der es darum ging, dass die Afghanen dem Westen die Freiheit neideten und ihn deswegen überfielen. Ich will an dieser Stelle darauf verzichten zu belegen, warum der auch in Fankreisen als leicht schwachsinnig wahrgenommene Ex-Präsi der US of A sich in Register und Wahrheit vergriffen hat und verweise auf die Schriften Noam Chomsky’s zu diesem Thema. (Mir ist übrigens zu Ohren gekommen, es gebe Leute auf diesem Planeten, die Noam Chomsky unterstellen, nicht ganz richtig im Kopf zu sein. Die Vorstellung, so jemandem zu begegnen, empfinde ich als atemberaubend peinlich).

Ich möchte ja lieber an der Stelle einsetzen, wo es darum geht, ob es okay war, Osama Bin Laden, den Monsterchef der feindlichen Welt, liquidieren zu lassen. Ich werfe da mal ganz mutig ein „NEIN“ in den noch kontrovers zu füllenden Meinungsraum. Und ich erkläre das auch. Nicht gern. Aber trotzdem.

Ich stelle mir mal vor, nach den verbalen und emotionalen Ausschreitungen der letzten Tage, dass so manch ein Fan des F.C. (oder C.F. – ich verstehe das einfach nicht) Barcelona dem Trainer von Real Madrid Pestilenz oder gar Tod an den Hals wünscht, weil dieser den Verein, den Trainer, aber vor Allem die Mannschaft, der Unsportlichkeit bezichtigte. Das war ganz lustig, weil Senhor Mourinho seiner Mannschaft abgewöhnen musste wie man Fußball spielt und stattdessen das Spiel der gegnerischen Mannschaft zerstört. Wäre Senhor Mourinho Trainer von Energie Cottbus, dann könnte das ja Sinn ergeben. Aber eine Mannschaft wie Real Madrid? Spieler wie Kaka, Ronaldo, Özil, Higuain, Alonso, Casillas, Adebayor, di Maria, Benzema werden erzogen, mit und von hohen Bällen leben zu müssen, weil der Gegner irgendeine Form von Strategie haben könnte? Und der gleiche Clown, der es geschafft hat, diese Spieler zu überzeugen, das Spielen gegen das Kloppen einzutauschen, bezichtigt die Spieler vom F.C. (oder C.F. – ich verstehe das einfach immer noch nicht) Barcelona des Foul Play? Weil sie gegen ihn gewinnen wollen? Und besser spielen als seine Milliardentruppe?

„Ich kannte zwei Menschen in den Twin Towers, die am 11. September gestorben sind.“ Ich übrigens nicht, aber ich habe genau diese Aussage gehört, als jemand sich die Frage stellen wollte, wie es dazu kommen konnte. Zum Anschlag auf das World Trade Center. Und ich konnte sowohl Schmerz als auch Rachegelüste nachvollziehen.

„Make no mistake!“ sagte Johnny Walker damals, wem auch immer.

Und trotzdem war und ist mir das Truppenabwerfen über Afghanistan nicht geheuer. Um ganz ehrlich zu sein, ist und war mir Afghanistan nicht geheuer, seit sich da zu Kaltkriegzeiten die UdSSR und die USoA engagiert haben. Oder, um das klarer zu formulieren, waren mir weder die UdSSR noch die USoA geheuer, als sie sich in Afghanistan zu engagieren begonnen haben.

Und ganz ungeheuer wird mir, wenn Leute, also Menschen, es okay finden, dass José Mourinho seine Truppe auf Zerstören stellt, weil er damit in der Vergangenheit Erfolg hatte. Erfolg ist so eine furchtbar flüchtige Aufnahme, wenn man bedenkt, dass Inter Mailand in der letzten Saison sowohl gegen den F.C. (oder C.F. – ich verstehe das einfach immer noch nicht) Barcelona als auch gegen Bayern München Erfolg gehabt hat, obwohl jeweils der Gegner besser gespielt hat. Erfolg ist halt immer eine sehr flüchtige Momentaufnahme. Aber das ist in einer Erfolgsgesellschaft selten Thema der Tagesdebatte.

Darf man José bin Laden deswegen ermorden? Weil er was getan hat, was uns nicht passt? Ist es okay ein Navy Seals Squad zu beauftragen, Osama Mourinho zu erlegen, weil wir gerade finden, dass sein Handeln nichts Gutes zeugt?

Wer erlaubt das? In was für einer Welt leben wir, wenn es okay ist, Leute hinzurichten, auf deren erwünschten Todeszustand wir uns aufgrund von medialen Faktenlagen einigen können? Und wer überträgt diese nie ausgestellte Handlungsvollmacht auf die Navy Seals oder irgendeine andere Truppe?

Inwieweit unterscheiden wir uns von den Drahtziehern und Mördern vom 11. September, wenn wir das okay finden?

Barca hat sich gegen die Zerstörung durchgesetzt. Wir hätten das abseits des Fußballs auch geschafft.

Ich erkläre übrigens hiermit jeden, der hier herauslesen möchte, ich hielte José Mourinho für Osama Bin Laden, offiziell zum Idioten.

 


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